Es liegt nahe, die Szene in zwei Teile zu splitten:
Im ersten Teil wird eine Interaktion zwischen Herrn Weiß und einem Schüler dargestellt. Herr Weiß unterbricht den Jungen bei einer Aktivität und beginnt einen Dialog. Er stellt eine Entscheidungsfrage und fragt nicht „was machst du?“. Bei dem „Machen“ handelt es sich um die Frage nach der sportlichen Tätigkeit, die der Schüler sich aussuchen soll. Ob Herr Weiß aus bloßem Interesse handelt oder dem Jungen unterstellt, dass dieser noch unsicher sei darüber was er macht, ist offen. Die Motive seiner Frage bleiben unklar. Sicher ist jedoch, dass Herr Weiß genau diesen Jungen und keine andere Person nach ihren Plänen fragt. Das zeugt davon, dass er sich verantwortlich und dazu berechtigt fühlt.
Strukturell gesehen spiegelt die Szene einen normalen Ablauf in der Schule oder auch im Tandem von Schulbegleitung und Jugendlichem. Der Ablauf sieht folgendermaßen aus: eine erwachsene Person fragt etwas und der Jugendliche erwidert etwas. Er befolgt die Vorgabe durch den Erwachsenen und gibt die Antwort ohne zu hinterfragen. Die Beobachterin kann diese zwar nicht hören, geht aber davon aus, dass der Schüler die Frage adäquat beantwortet hat.
Die Szene kann noch auf eine andere Weise untersucht werden. Zunächst einmal wird dem Jungen eine besondere Rolle zu teil da er der Einzige ist, der gefragt wird. Außerdem ist er gezwungen stehen zu bleiben und verliert dadurch den Anschluss zur Gruppe, während diese ihren Weg bereits fortsetzt. Er wird damit als anders markiert, als jemand der gesonderte Betreuung braucht. Durch die Information, dass Herr Weiß als Schulbegleiter an der Schule beschäftigt ist und diese Szene, schließt die Beobachterin darauf, dass es sich bei dem Schüler um ein „I-Kind“ handelt.
Die Vermutung liegt nahe, dass der Schüler diese Interaktion nicht gebraucht hätte. Warum fängt Herr Weiß also das Gespräch an? Eine mögliche These ist das Organisieren von Schutz- und Hilfebedarf. Legitimiert Herr Weiß dadurch seine Position als Schulbegleiter? Wäre er überflüssig, wenn er nicht handeln würde?
In dem Fortgang des Protokolls wird hier eine zweite Ebene deutlich, auf der der Junge markiert wird. Dies geschieht erst durch das nonverbale Hervorheben und dann durch das darüber sprechen von Frau Meier mit der Beobachterin.
Die Beobachterin beschreibt den Blick, den Frau Meier ihr zuwirft als „bedeutungsschwer“. Damit interpretiert sie hinein, dass der Kontakt zwischen Begleiter und Jugendlichen eine tief greifende Wichtigkeit besitzt. Die Forscherin wird deutlich darauf aufmerksam gemacht. Die Interaktion wird durch den Hinweis besonders und für die Forscherin relevant gemacht. Deren Aufmerksamkeit wurde bereits auf der ersten Ebene, durch Herrn Weiß, auf den Jungen gelenkt. Frau Meier verstärkt die bereits sichtbar gewordene Differenz mit ihrem Blick, um sicher zu stellen, dass die Forscherin sie nicht übersieht. Der Blick hat Relevanz und weckt bei der Forscherin Redebedarf. Sie deutet ihn als Gesprächseinladung die sie annimmt. Frau Meier eröffnet das Gespräch um ihre Geste zu verbalisieren.
Das Wort „rausgefunden“ ist eher ein Begriff aus einem spielerischen Kontext. Damit wird der Diskurs verharmlost und bagatellisiert. Die Ethnografin soll raten. Um etwas rauszufinden muss es allerdings etwas rauszufinden geben. Damit macht Frau Meier deutlich, dass es auf jeden Fall einen sichtbaren Unterschied zwischen dem betreffenden Jungen und anderen Jugendlichen gibt.
Frau Meier unterstellt der Forscherin, dass er für alle Personen, intern oder extern, ersichtlich ist, also auch für sie. Die Herausforderung besteht lediglich darin ihn festzustellen und zu benennen. Frau Meier setzt ein gleiches Verständnis und einen gleichen Blick voraus.
Neben dieser Unterstellung schreibt sie der Beobachterin außerdem zu, nach dieser Differenz und den „I-Kindern“ gesucht zu haben. Der Verwendung des Terms „I-Kinder“ zeigt sich als gängige Praxis. Die Beobachterin belehrt Frau Meier nicht eines besseren, sondern steigt in das Ratespiel ein. Genau wie Frau Meier erwartet sie, dass sie es sicher rausfinden kann und kommuniziert ihre Beobachtungen. Damit reproduziert und verstärkt sie den Herstellungsprozess und die Markierung der Jugendlichen. Der Fokus auf dem ersten Schüler breitet sich auf zwei weitere aus, indem Frau Meier verkündet, dass es „drei“ seien. Weiterhin finden Jugendliche ohne zugeschriebene Behinderung keine Erwähnung.